Handy Strahlung erzeugt Hirntumor- gerichtlich nachgewiesen!

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Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat im Jahr 2001 schon über diese Problematik geschrieben. Zum FAZ-Bericht? Jetzt hier klicken…

2012 ist dann das erste Urteil des obersten Gerichts in Rom (Italien) erfolgt. Jetzt hier klicken.

Die Zeitung Welt hat 2016 die Elektrosmog-Problematik nochmal dargelegt, mit Auszügen auf deutsch aus dem Wall Street Journal

Deutsche Übersetzung des Gerichturteils:

Urteil Nr. 614/09

Bildquelle: https://kurier.at

Cron. N. 2659

R. Gen. N. 361/08

 

 

 

BETRIFFT:

Leistung: Entschädigung durch Rente von INAIL

(Nationales Institut für die Versicherung gegen Arbeitsunfälle)

oder gleichwertige – weitere Hypothesen

REPUBLIK ITALIEN IM NAMEN DES ITALIENISCHEN VOLKES

hat das Berufungsgericht Brescia, Sektion Arbeitsgericht, bestehend aus

Dr. Angelo TROPEANO, Vorsitzender

Dr. Antonella NUOVO, vortragende Ermittlungsrichterin

Dr. Anna Luisa TERZI, Gerichtsrätin

in der von

MARCOLINI INNOCENTE, vertreten und verteidigt durch den Rechtsanwalt Danilo

MINA aus Brescia, Zustellungsbevollmächtigter für das Berufungsverfahren

BESCHWERDEFÜHRER

gegen

INAIL in der Person des Regionaldirektors pro tempore, vertreten und verteidigt durch die

Rechtsanwältin Sabina LUPO – Zustellungsbevollmächtigte durch generelles Mandat für

Streitfälle ist die INAIL-Bezirksadvokatur von Brescia –

BESCHWERDEGEGNER

eingebrachten Zivilklage in zweiter Instanz, mit am 8. 7. 2008 bei der Gerichtskanzlei unter

n.361/08 R.G. Sektion Arbeitsgericht eingetragenem Berufungsantrag, der Gegenstand der

Kollegialverhandlung vom 10. 12. 2009 war,

Streitpunkt: Berufung gegen das Urteil des Gerichts Brescia n. 471/08 vom 15. 5. 2008

folgendes U R T E I L ausgesprochen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Des Beschwerdeführers:

laut Berufung

Des Beschwerdegegners:

laut Klagebeantwortung

Prozessablauf

Mit Berufung beim Arbeitsgericht von Brescia vom 6. 7. 2007 hat Innocente Marcolini INAIL auf die Erbringung von gesetzlich vorgesehenen Leistungen aufgrund einer schweren und komplexen Zerebralpathologie geklagt, deren Ursprung in seiner beruflichen Tätigkeit lag.

In der Tat legte der Beschwerdeführer dar, er habe ab 1981 eine geschäftsführende Tätigkeit ausgeübt, zuletzt von 2. 9. 1991 bis 26. 9. 2003 bei der Firma Sangiacomo SpA; in dieser Funktion habe er Mobiltelefon und Schnurlostelefon durchschnittlich 5 – 6 Stunden pro Tag über einen Zeitraum von insgesamt 12 Jahren verwendet; da er Rechtshänder sei, habe er das jeweilige Gerät immer an sein linkes Ohr gehalten, um mit der rechten Hand das auf dem Schreibtisch stehende Festnetz-Telefon abheben oder Notizen aufschreiben zu können; besagte Tätigkeit habe bei ihm eine schwere Pathologie hervorgerufen aufgrund derer er am 17. 11. 2003 bei INAIL die entsprechenden gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen beantragt habe; das Institut habe den Antrag aber mit der Begündung abgelehnt, es gäbe keinen kausalen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den angeführten gesundheitlichen Beschwerden. Der Beschwerdeführer besteht weiterhin auf seinem Antrag, tritt den Zeugenbeweis über die Arbeitsbedingungen an und erbringt einen ausführlichen gerichtsärztlichen Bericht des Neurochirurgen Dr. Giuseppe Grasso. INAIL hat sich der Berufung unter Beibehaltung der Behauptung widersetzt, es bestünde kein kausaler Zusammenhang und hat den mündlichen Gegenbeweis angetreten und verschiedene Unterlagen beigebracht.

Nach Anhörung der Zeugen, die in der Tat die häufige Verwendung von Mobil- und Schnurlostelefon bestätigten, und Zuziehung eines Gerichtssachverständigen, hat der Richter erster Instanz den Antrag aus Mangel an kausalem Zusammenhang abgelehnt und sich dabei den Überlegungen des Gerichtssachverständigen angeschlossen, die vom Beschwerdeführer scharf kritisiert wurden.

Marcolini hat daraufhin Berufung eingelegt und ein weiteres gewichtiges Dokument des Parteisachverständigen beigebracht, wobei er sich auf die darin enthaltenen kritischen Betrachtungen bezog und beantragte, dass INAIL nach erneuten Beratungen zur Erbringung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen verurteilt werden solle.

INAIL stellte sich dem Berufungsverfahren, um das Urteil erster Instanz zu untermauern und wies darauf hin, dass es keine zuverlässigen wissenschaftlichen Studien gebe, die die Schädlichkeit von elektromagnetischen Wellen nachweisen. Daraufhin trat dieser Gerichtshof zu weiteren Beratungen zusammen und hat, in Anbetracht der Bemerkungen von INAIL, dem Beschwerdeführer eine Frist eingeräumt, um seine Gegenausführungen vorzulegen: Schließlich haben die Parteien bei der heutigen Verhandlung diskutiert und der Gerichtshof ein Urteil gefällt, das unmittelbar verlesen wurde.

Urteilsbegründung

Das in dieser Instanz des Verfahrens erstellte Gerichtssachverständigengutachten, das mit zahlreichen Unterlagen versehen und sorgfältig begründet ist, erkennt den – zumindest teilweisen – kausalen Zusammenhang zwischen der Verwendung besagter Telefone und der aufgetretenen Pathologie an.

Es muss vor allem bemerkt werden, dass die angegebene Verwendung von Mobil- und Schnurlostelefon über viele Arbeitsstunden (5-6 Stunden pro Tag) und dies vor allem am linken Ohr, damit die rechte Hand für das Aufzeichnen von Notizen frei blieb, in den Zeugenaussagen absolut bestätigt wurde und nicht mehr Gegenstand der Anfechtung seitens INAIL ist.

Von dieser Angabe, welche das Ausmaß der Strahlenbelastung quantifiziert, musste der Gerichtssachverständige daher bei seinen Ermittlungen zum kausalen Zusammenhang ausgehen.

Aus der klinischen Anamnese geht hervor, dass im Juni 2002 eine Hypoanästhesie (teilweiser Sensibilitätsverlust) der linken Gesichtshälfte aufgetreten ist: Die durchgeführte Magnetresonanzuntersuchung ergab die Diagnose „Neurinom des Ganglion Gasseri“, das ist ein gutartiger Tumor, der die Hirnnerven, insbesondere den Hörnerv befällt, während eine Lokalisierung am V. Hirnnerv (Trigeminus) wie im vorliegenden Fall seltener vorkommt.

Wie der Gerichtssachverständige erklärte, geht dieser Tumor von der Nervenscheide (Schwann-Zellen) aus, daher auch die Bezeichnung Schwannom. Die anatomische Lokalisierung dieses Tumors führt zu starken klinischen Beschwerden.

Der Patient unterzog sich in der Folge am 8. November 2002 einem neurochirurgischen Eingriff (Klinik St. Anna in Luzern) mit Resektion des Ramus mandibularis des betroffenen Nervs, da dieser nicht dissoziierbar war, und Entfernung des Ganglion Gasseri. Die nach der Operation durchgeführte Magnetresonanzuntersuchung ergab jedoch, dass immer noch ein Rest des Tumors vorhanden war.

Die post-operativen Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:

1) Hornhautgeschwür links (aufgrund von zu geringer Tränensekretion und neurologischer Störung). Der Patient unterzog sich verschiedenen Behandlungen um dieses Problem zu lösen. Derzeit ist er unter Langzeitbehandlung mit Autoserum. Gradueller Verlust der Sehschärfe (3-4 Dioptrien);

2) Algodystrophie-Syndrom der linken Gesichtshälfte mit starken chronischen Schmerzen. Es wurden verschiedene und wiederholte Behandlungen mit Medikamenten vorgenommen, welche die neuropathischen Beschwerden lindern sollten, jedoch mit geringem oder gar keinem Erfolg. Seit 1. 8. 2005 orale Einnahme von Morphin (Oxicontin 20mg x 3/Tag) in Kombination mit Pregabalin (Lyrica 75 mg x 3, Behandlung von peripheren und zentralen neuropathischen Schmerzen bei Erwachsenen). Bewertung des Schmerzes mit 5-6 auf einer verbalen, numerischen Skala (Bewertungsskala für chronische Schmerzen von 1 = schmerzfrei bis 10 = der schlimmste vorstellbare Schmerz. Der Schmerz wird bei einem Index ~4 als kontrolliert betrachtet);

3) anhaltende Parästhesien der obgenannten Gesichtshälfte;

4) Störung der Kaumechanik aufgrund von Malokklusion wegen Atrophie der Muscoli temporale und masseter links (der Patient ist in Physio-Kinesitherapie um den Trophismus aufrecht zu halten);

5) inkonstante Diplopie (Doppeltsehen des selben Gegenstandes in horizontaler und vertikaler Richtung);

6) Partielle, komplexe Epilepsie temporalen Ursprungs aufgrund einer Enzephalomalazie (Hirnerweichung im Zusammenhang mit dem chirurgischen Trauma mit Funktionsverlust, möglicher Ursprung von Epilepsieherden);

7) kognitives Defizit (Störung des Erinnerungsvermögens und Aufmerksamkeitsstörungen);

8) Anpassungsstörung (Im Diagnostical and Statistical Manual of mental disorders [DSM-N] werden Anpassungsstörungen definiert als: „klinisch signifikante emotionale und Verhaltenssymptome“, welche sich „als Reaktion auf einen oder mehrere identifizierbare psychosoziale Stressfaktoren“ entwickeln); 9) Syndrom des Lobus temporalis (komplexes Syndrom infolge einer Schädigung des Lobus temporalis mit verschiedenen Störungen des Geruchs-, Geschmacks-, Gleichgewichts, Gesichts- und Gehörsinnes sowie psychiatrischen Störungen).

All diese klinischen Symptome sind durch die vorgelegten Unterlagen ausführlich dokumentiert. Jede Pathologie ist durch wiederholte Facharztbesuche und –beratungen, sowie durch die entsprechenden instrumentellen Untersuchungen und Blutbilder belegt.

Im Jahr 2003 erfolgte die Diagnose einer Neoformation an der rechten Nebenniere in der Größe von 5x3cm bei normaler Funktion. Chirurgischer Eingriff am 30. 6. 2004 am Istituto Europeo di Oncologia (Europäisches Onkologieinstitut) mit histologischer Diagnose „Phäochromozytom“ (seltene Tumorart mit möglicher Sekretion von Katecholaminen [Hormon- und Neurotransmittersubstanzen, die vom inneren Anteil der Nebennieren und voneinigen Neuronen erzeugt werden]. Bei Sekretion von Katecholaminen weist der Tumor ein spezielles klinisches Syndrom auf).

Im vorliegenden Fall wurde keine Sekretion von Katecholaminen nachgewiesen.

Der Patient ist seit 2003 in psychiatrischer Behandlung und nimmt Paroxetin; er wurde zwei Mal stationär im Psychiatrischen Diagnose- und Behandlungszentrum aufgenommen, das letzte Mal im März 2008.

Die derzeitige Therapie umfasst Morphin oral, Pregabalin, Paroxetin (Antidepressivum aus der Gruppe der selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer). Die derzeitigen Schmerzen werden nach der verbalen numerischen Skala mit 5-6 bewertet. Der Patient ist abgemagert und in einem schlechten Allgemeinzustand. Normale Blutbildung. Sensorisch normale Raum und Zeit-Orientierung. Stimmung gedrückt. Weinkrämpfe im Laufe der klinischen Bewertung. Parese des VII. Hirnnervs mit Hypostenie des Musculus orbicolaris. Analgesie, keine Sensibilität des Tastsinns. Asymetrie der beiden Gesichtshälften.

Schmerz bei Druck auf das linke Kiefergelenk. Leichte Tendenz zur Innenrotation der rechten Hand in Extension.

Die erste Beurteilung durch den Sachverständigen ist, dass die Folgen der Neoplasie äußerst schwerwiegend und genau dokumentiert sind und dass die Lebensqualität von Herrn Marcolini eindeutig durch diese Folgen stark beeinträchtigt ist.

Was die Kernfrage (da es keine Anfechtungen der vom Beschwerdeführer erlittenen Folgen gibt) hinsichtlich des kausalen Zusammenhangs zwischen der Verwendung der Telefone und dem Auftreten der Pathologie betrifft, hält der Sachverständige vor allem fest, dass der Beschwerdeführer in den ersten drei Jahren seiner Tätigkeit bei San Giacomo SpA (für belegte 5-6 Stunden täglich) ein Schnurlostelefon benützte, ab 1993/94 bis September 2003

kam zum Schnurlostelefon das Mobiltelefon dazu. Bekanntlich funktionieren Schnurlostelefone und Mobiltelefone über elektromagnetische Wellen. Gemäß Sachverständigengutachten „gilt in der Literatur der Studien über Gehirntumoren bei Neurinomen der Nervus acusticus als häufigste Lokalisierung. Da es sich um den selben Gewebetypus handelt, ist es absolut logisch, die Daten dieses Neurinoms mit jenen des Trigeminusneurinoms gleichzustellen“.

Im Sachverständigengutachten sind in einer sehr übersichtlichen Tabelle, auf die man sich bezieht, einige zwischen 2005 und 2009 durchgeführte Studien zusammengefasst. „In drei Fällen (Hardell group) zeigt sich eine signifikante Erhöhung des relativen Neurinom-Risikos (Relatives Risiko: Maß der Assoziierung zwischen der Belastung durch eine bestimmten Risiko-Faktor und dem Auftreten einer definierten Krankheit, berechnet als Verhältnis zwischen den positiven Fällen bei dem Risiko Ausgesetzten (Zähler) und den positiven Fällen bei nicht Exponierten (Nenner). Zum Beispiel: ein relatives Risiko von 3 bedeutet, dass die Krankheitsfälle bei dem Risiko Exponierten 3 Mal größer ist, als bei Personen, die diesem Risiko nicht ausgesetzt sind. In der Tabelle wird das relative Risiko von der Odds Ratio abgeleitet).

Eine neue Studie, ebenfalls der Gruppe Hardell (Mobile phones, cordless phones and the risk for brain tumours, L. Hardell and M. Carlberg INTERNATIONAL JOURNAL OF ONCOLOGY 35:5-17, 2009), die auf einer Überarbeitung der bereits zuvor von der selben Forschergruppe publizierten Studien aufbaut, bezieht weitere Faktoren in die Forschungsarbeit mit ein: Alter, in dem man den Strahlungen ausgesetzt ist, Ipsilateralität und Expositionsdauer. Was das Neurinom (am Nervus acusticus) betrifft, weisen die Ergebnisse eine Odds Ratio von 1,5 für die Verwendung von Schnurlostelefonen und von 1,7 für die Verwendung von Mobiltelefonen auf. Bei einer Verwendung über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren betragen die Odds Ratio 1,3 bzw. 1,9.

Die Odds Ratio ist das Verhältnis zwischen der Häufigkeit, mit der ein Ereignis bei einer Patientengruppe auftritt und der Häufigkeit mit der das selbe Ereignis bei einer Kontrollgruppe auftritt. Wenn der Wert der Odds Ratio höher als 1 ist, bedeutet dies, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das untersuchte Ereignis (zum Beispiel eine Krankheit) bei einer Gruppe (zum Beispiel Personen, die Strahlungen ausgesetzt sind) auftritt, höher ist als in einer anderen Gruppe (zum Beispiel Personen, die diesen Strahlungen nicht ausgesetzt sind).

Ist der Wert niedriger als 1, bedeutet das das Gegenteil (geringeres Risiko für exponierte Personen). Wenn der Wert genau 1 ist, gibt es keine Unterschiede zwischen den beiden Personengruppen. Bei seltenen Ereignissen liegt der Wert der Odds Ratio sehr nahe bei jenem des relativen Risikos. Die Odds Ratio ist bei Kontroll-Fallstudien zur Abschätzung des relativen Risikos, das bei dieser Art von Studien nicht direkt gemessen werden kann, ein besonders nützliches Messkriterium.

Eine kürzlich publizierte Review der International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (Exposure to high frequency electromagnetic fields, biological effects and health consequences 100 kHz-300 GHz. Review of the scientific evidence on dosimetry, biological effects, epidemiological observations, and health consequences concerning exposure to high frequency electromagnetic fields 100 kHz to 300 GHz, 2009) verdeutlicht die Grenzen der bisher durchgeführten epidemiologischen Studien. Die wichtigsten “bias” (Verzerrungsfaktoren) betreffen die Modalitäten zur Auswahl der Personen, das häufige Fehlen einer Kontrollgruppe mit Zuhilfenahme von Einwohnerregistern, die Unmöglichkeit das Ausmaß und die Gesamtdauer der Strahlenbelastung zu standardisieren. Die Autoren kommen zum Schluss, dass es beim derzeitigen Stand der Dinge keinen überzeugenden Nachweis für die Rolle von Funkwellen beim Entstehen von Tumoren gibt, fügen aber hinzu, dass die Studien einen diesbezüglichen Zusammenhang auch nicht ausschließen (Seite 336 „Results of epidemiological studies to date give no consistent or convincing evidence of a causal relation between RF exposure and any adverse health effect. On the other hand, these studies have too many deficiencies to rule out an association).

Es ist daher zweckdienlich, einer weiteren, hoch renommierten Review Augenmerk zu schenken. Diese Studie wurde 2009 von Kundi publiziert (The Controversy about a Possible Relationship between Mobile Phone Use and Cancer, Michael Kundi, Environ Health Perspect. 2009 March; 117,3: 316-324). Der Autor bestätigt die Zweifel, welche die epidemiologischen Studien hinsichtlich der Expositionsdauer wecken und kommt zu dem Schluss, dass es ein geringes, aber doch existentes individuelles Risiko gibt. Die Strahlenbelastung kann auf verschiedene Weise Einfluss auf die Entwicklung der Neoplasie haben: in Form einer Interaktion in der anfänglichen Induktionsphase, bzw. als Einfluss auf die Entwicklungsdauer von langsam wachsenden Tumoren wie Neurinomen, indem sie diese Wachstum beschleunigen und eine mögliche natürliche Rückbildung verhindern.

Die Analyse der Fachliteratur führt zu keiner erschöpfenden Beurteilung, aber bei allen Grenzen, die den verschiedenen Studien innewohnen, ist doch ein zusätzliches Risiko für Hirntumoren, insbesondere für Neurinome, nach einer Funkwellenbelastung durch die Verwendung von Schnurlos- und Mobiltelefonen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren dokumentiert.

Die Expositionsdauer in der Anamnese des vorliegenden Falles übersteigt diesen Grenzwert von 10 Jahren. Die Expositionsdauer ist ein sehr relevantes Bewertungskriterium. In der Studie aus dem Jahr 2006 ergab sich für eine Exposition von mehr als 10 Jahren ein errechnetes relatives Risiko von 2,9, das sicherlich als signifikant zu betrachten ist (selbst wenn die Untersuchungsmethoden die oben beschriebenen Grenzen aufweisen). Es handelt sich daher um eine „individuelle“ Sachlage, welche die Experten auf das „induktiv-probabilistische Modell“ und auf die „schwache Kausalität“ zurück führen (Angelo Fiori, Atti VI Convegno Nazionale di Medicina Legale Previdenziale [VI. Nationaler Kongress für gerichtliche Vorsorgemedizin] 2006), die für die Sozialversicherung jedenfalls eine Wertigkeit hat.

Es ist daher „wahrscheinlich“, dass die Funkwellenbelastung am Entstehen der von Herrn Marcolini erlittenen Neoplasie zumindest mitverantwortlich ist („qualifizierte Wahrscheinlichkeit“) (siehe Sachverständigengutachten von Dr. Di Stefano, Seiten 8 und 9).

Die Folgen der Pathologie haben zu einer Behinderung geführt, deren Ausmaß unbestrittenerweise auf 80% geschätzt wird.

INAIL hat das Dokument kritisiert und vor allem festgehalten, die erste Behauptung des Sachverständigen sei falsch: Es sei nicht möglich, Studien über Neurinome am Nervus acusticus zu verwenden, um einen Fall von Neurinom am Nervus trigeminus zu analysieren, da es sich um Tumoren verschiedener Lokalisierung, also in verschiedenen anatomischen Regionen, handle.

Diese Kritik ist nicht zulässig: Denn, wie vom Sachverständigen richtig erklärt, gehören die beiden Arten von Neurinom der selben Körperregion an, da sich beide betroffenen Nerven im Bereich des Angulus ponto-cerebellaris, einer genau definierten und begrenzten Region des endokranialen Raums befinden, die sicherlich vom magnetischen Feld betroffen ist, welches bei der Verwendung von Schnurlos- und Mobiltelefonen entsteht.

Ein zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf die vom Sachverständigen verwendeten Studien um den Antrag positiv zu erledigen: Es handle sich in der Tat um Studien an einer niedrigen Zahl von Fällen, während die WHO-Studie des Jahres 2000 negative Auswirkungen auf die Gesundheit ausgeschlossen habe. Doch auch diese Kritik ist nicht stichhaltig. Besagte WHO-Studie, die eben aus dem Jahr 2000 stammt und natürlich auf noch älteren Daten beruht, berücksichtigt die in letzter Zeit bei weitem massivere und verbreitetere Verwendung solcher Geräte nicht; ebensowenig wird berücksichtigt, dass es sich hier um eine langsam wachsende Tumorart handelt. Daher sind die Studien aus dem Jahr 2009, die auf neueren Daten beruhen, schon an und für sich zuverlässiger. Wie in den Gegenbeweisen des Sachverständigen von Herrn Marcolini vorgebracht, handelt es sich zudem nicht um Studien an einer geringen Anzahl von Fällen, sondern, im Gegenteil, um sehr eingehende Studien an 678 Fällen, nämlich der Gesamtzahl der Fälle, die in Italien pro Jahr auftreten (da es sich um einen seltenen Tumor handelt). Im Gegensatz zur IARC-Studie, die von den Handy- Herstellern mitfinanziert wurde, sind die von Dr. Di Stefano zitierten Studien unabhängig.

Natürlich muss laut Oberstem Gerichtshof im Falle von nicht klassifizierten Berufskrankheiten wie auch bei Krankheiten mit multifaktoriellem Ursprung der vom Arbeitnehmer zu erbringende Beweis, dass die Ursache in der beruflichen Tätigkeit liegt, im Sinne einer vernünftigen Gewissheit beurteilt werden, da nämlich die ausschließlich berufliche Ursache ausgeschlossen werden kann, diese jedoch einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit aufweist. In diesem Zusammenhang muss der Richter nicht nur dem Versicherten gewähren, alle zulässigen und ordnungsgemäß vorgelegten Beweismittel auszuschöpfen, sondern auch die Schlussfolgerungen des Sachverständigen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des kausalen Zusammenhangs beurteilen und dabei berücksichtigen, dass die Tatsache, ob es sich um eine Berufskrankheit handelt mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Art der durchgeführten Arbeit, von der Art der im Arbeitsumfeld vorhandenen Geräte, von der Dauer der Arbeitsleistung und vom Nichtbestehen anderer, alternativer oder zusammenwirkenden Faktoren außerhalb des Arbeitsumfeldes, welche die Krankheit verursacht haben könnten, abgeleitet werden kann.

Im vorliegenden Fall hat das Sachverständigengutachten die Odds Ratio – Werte erläutert, die dazu geführt haben, die qualifizierte Wahrscheinlichkeit der Rolle der Verwendung der Telefone zumindest als eine der Ursachen für das Entstehen der Pathologie zu vertreten; doch um die tatsächliche Tragweite der Behauptungen besser zu untermauern erscheint es zweckmäßig, das Beispiel anzuführen, dass der Parteisachverständige in den Gegenbetrachungen vom 25. 11. 2009 vorgebracht hat. Ausgehend von den Daten des CTU hält es Dr. Grasso für zweckdienlich, die vom Sachverständigen errechnete Höhe des individuellen Risikos (2,9) mit jenem Wert zu vergleichen, der für den allgemein anerkannten Risikofaktor durch ionisierende Strahlung festgestellt wurde. Dr. Grasso bemerkt hiezu: „Bei Personen, die 1 Gy Ionenstrahlung ausgesetzt waren, wie zum Beispiel die Überlebenden der Atombombenexplosionen in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki, wurde ein relatives Krebsrisiko von 1,39 für „alle Tumoren“ festgestellt, bei einem Minimum von 1,22 für „Gebärmutter- und Gebärmutterhalstumoren“ und einem Maximum von 4,92 für „Leukämie“. Dies bedeutet, dass das durchschnittliche Krebsrisiko durch Ionenstrahlungen geringer ist als die Gefahr eines endokranialen Neurinoms durch Funkwellenbelastung“ (siehe die Seiten 7 und 8 des Berichts von Dr. Grasso, der am 25. 11. 2009 hinterlegt wurde).

Es erscheint daher das Merkmal der hohen Wahrscheinlichkeit untermauert, welches den vom Gesetz geforderten kausalen Zusammenhang belegt. Daraus ergibt sich die Verurteilung von INAIL, Herrn Marcolini die Rente für eine 80%ige Invalidität wegen Berufskrankeit, inklusive Rückstände und gesetzliche Zinsen, auszubezahlen.

Die Verfahrenskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt und betragen für die erste Instanz € 1.800,– (davon € 650,– für Gebühren) und für die vorliegende Instanz € 2.000,– (davon € 700,– für Gebühren) mit Vorwegabzug zu Gunsten des plädierenden Anwalts, der die Prozeßkosten vorgestreckt hat. Die Kosten für das Sachverständigengutachten gehen definitiv zu Lasten von INAIL.

Aus diesen Gründen

wird INAIL in Abänderung des Urteils n. 471/08 des Gerichtes von Brescia verurteilt, dem Beschwerdeführer die Rente für 80%ige Invalidität aufgrund von Berufskrankeit auszubezahlen; weiters wird INAIL verurteilt, die Gerichtskosten zu tragen, und zwar €1.800,– für die erste Instanz und € 2.000,– für die vorliegende Instanz.

Brescia, 10. 12. 2009

Die vortragende Ermittlungsrichterin Der Vorsitzende

Hinterlegt bei der Kanzlei des Berufungsgerichtes Brescia heute, den 22. Dezember 2009.

Hier ein link zum ins deutsche übersetzten höchstrichterlichen Urteil.

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